.. ja und der Auftrag? * Newsletter 2/16

„Alles lief prima. Wir hatten den Kunden so gut wie sicher, war jedenfalls mein Gefühl. Ich verstehe nicht, was passiert ist – warum wir den Sack nicht zumachen konnten.“

Carsten Wöhl (Name geändert :-)) ist kein Neuling. Er hat über Jahre eine kleine aber feine Firma aufgebaut und zieht – auch wenn es Jahr für Jahr schwerer wird – regelmäßig Aufträge an Land.

Und er fragt sich, warum ihm das immer wieder passiert: Der Kunde hat das Problem. Es läuft alles gut an. Der Kunde will anscheinend vorwärts. Und dann, am Ende, wenn es darum geht „Ja“ zusagen, dann fängt er an zu Shoppen. Sucht nach einer günstigeren Lösung.

Oder – und das kommt immer öfter vor – der Kunde lässt alles wie es ist. Er kauft gar nicht.

Auf jeden Fall, Carsten Wöhl hört auch hier wieder: „Wir haben es uns anders überlegt.“

Und ewig grüßt das Murmeltier?

Muss das so sein? Gehört es einfach dazu, dass das immer wieder passiert? Dass man am Ende den Auftrag nicht bekommt? Nein. Nicht im B2B. Nicht bei einem komplexen Kaufvorgang. Nicht wenn man die Phasen kennt, die ein Kunde durchlaufen muss, bis er kauft.

Der Kunde durchläuft einen immer gleichen Prozess im nicht-trivialen Kauf. Die Phasen variieren zwar in Länge und Intensität, je nach Kunde und je nach Problem, aber der Prozess ist eindeutig.

Und als Verkäufer hat man jetzt genau 2 Möglichkeiten: Entweder die Führung übernehmen und den Prozess lenken. Oder, wenn das nicht gelingt, rechtzeitig aussteigen, um nicht zu viel Kraft, Energie und Herzblut in ein Vabanque-Spiel zu stecken. (Klar, die 3. Möglichkeit ist immer einfach abwarten, ob der Kunde einen abblitzen lässt).

Wie sieht dieser Kauf-Prozess aus?

Die Struktur ist schlicht. Ein Kunde durchläuft die 4 Phasen: zufrieden, unzufrieden, unsicher, gekauft. Und der Prozess kann dann von vorne beginnen.

Kaufprozess
Kunde im nicht-trivialen Kaufprozess

Was aber für uns interessanter ist: Die Milestones, die am Ende jeder Phase stehen. Lassen Sie uns das mal genauer anschauen.

Phase 1) unbewuust

Nehmen wir an, wir seien der Kunde. Und  nehmen wir weiter an, wir arbeiteten zufrieden vor uns hin. Es gibt da zwar ein Problem (oh, es gibt viele Probleme, oder?), aber OK, damit kann man leben. Damit leben wir schon lange.

Und jetzt kommt dieser Anruf (Brief, eMail, Post in LinkedIn, Tweet etc. ), und wir sind ein bisschen neugierig geworden. Wir wollen ein bisschen mehr wissen, weil das Problem .. ist halt doch ein Problem.

Ein geschickter Verkäufer schafft es, das Problem ein bisschen präsenter, ein bisschen größer zu machen. Das schärft unseren Blick. Und unsere erste Neugierde weicht einer gewissen Nachdenklichkeit: Hm, sollten wir das Problem unterschätzt haben? Müssen wir das wirklich aushalten?

Damit endet Phase 1. Der Milestone hier heißt AHA-Moment. Und wir gehen in ..

Phase 2) bewusst

Das Problem ist da und geht jetzt vorerst nicht mehr weg. Und jetzt machen viele Verkäufer einen entscheidenden Fehler: Sie zeigen, preisen, erklären uns ihr Produkt.

So weit sind wir noch lange nicht. Nicht im komplexen B2B-Kauf, wo Kauf-Entscheidungen in der Regel weitreichende Konsequenzen haben: Wer alles ist betroffen, wenn wir kaufen und muss gehört/gefragt werden? Was sagen meine Vorgesetzten, wenn ich das Problem angehe? Was wird dabei alles noch angefasst? Usw.

Wie Sie sehen, geht es in Phase 2 noch gar nicht um die Lösung. Es geht immer noch um das Problem!

Als Kunde wollen wir herausfinden, ob es sich lohnt, das Problem zu lösen. Ist es den Aufwand wert oder tun wir nicht besser daran, weiter mit dem Problem zu leben?

Und das ist der Milestone hier: Wir sind bereit, etwas an unserer Situation zu ändern – Change! Am Ende der Phase 2) sind wir willens, den Kraftakt auf uns zu nehmen und das Problem zu lösen.

Ein wichtiger Einwurf an dieser Stelle: Ein Kunde der hier beim Change angelangt ist, ist noch nicht kaufbereit. ABER: Wenn der Verkäufer in Phase 2) bereits viel über das Produkt geredet hat, dann geht ein normaler Kunde jetzt gucken: Wer bietet sowas noch an? Mit anderen Worten: Der Verkäufer hat den Kunden zum Shoppen animiert. Nicht gut!  

Phase 3) unsicher 

Jetzt, in dieser Phase wollen wir uns als Kunde absichern. Und wir fahren hier zweigleisig.

Einmal wollen wir uns finanziell absichern – wird die Lösung mehr bringen, als sie uns kostet; wird sie funktionieren? Und zum anderen wollen wir uns „emotional“ absichern – werden die Leute mitziehen, die mitziehen müssen? Stehe ich alleine da, wenn etwas nicht so läuft wie vorhergesehen, oder habe ich Rückhalt bei Kollegen/Mitarbeitern/Vorgesetzten?

Das ist ein Prozess, den der Verkäufer sehr vorsichtig moderieren muss. Eventuell muss er seinem Kunden sogar helfen herauszufinden, was genau er braucht. Hilft es ihm, wenn er mit anderen mal sprechen kann, die vor ihm bei uns gekauft haben? Braucht es Testläufe, Besuche bei uns in der Fabrik oder ein kleines Probeprojekt vorab?

Ein guter Verkäufer bleibt nah an seinem Kunden dran und schaut, ob das funktioniert, was der Kunde macht. Das heißt: Sieht der Kunde, wie das Produkt bei ihm funktionieren könnte? Und gewinnt er das Commitment seiner Leute?

Der Milestone hier ist das Ja. Der Kunde kauft – bei uns.

Phase 4) gekauft

OK, jetzt geht es darum, dass unsere Lösung implementiert wird und funktioniert. Und funktioniert heißt hier, dass kleine Anlaufschwierigkeiten, die immer mal auftreten können, nah am Kunden beseitigt werden.

Wir müssen zeigen, dass sich der Kunde auch nach der Unterschrift voll auf uns verlassen kann. Frisch nach dem Kauf ist der Kunde voller gutem Willen – manchmal gar euphorisch.

Als Verkäufer, der seinen Kunden lange behalten will, sollte man alles dafür tun, dass er schnell den erwarteten Erfolg hat. So bleibt der Kunde voll guten Willens.